Unser Haus

Lage und Grundstücksform

Das Patriziahaus Wintergasse 7 liegt östlich der Maximilianstraße am Abhang der Augsburger Hochterasse zur Lechebene hinunter. Der schmale und tiefe Bauplatz, der durch das stark abfallende Gelände hier zur Verfügung stand, ließ nur den Bau eines Vorderhauses an der Wintergasse und den eines Rückgebäudes mit kleinem Innenhof zu. Auf der Niederterasse setzte sich das Grundstück bis an den Hunoldsgraben fort, an dem längs ein Hinterhaus errichtet wurde, das durch einen seitlichen Mittelbau mit dem oberen Komplex in Verbindung stand. Dieser Teil wurde bei den Bombenangriffen während des zweiten Weltkrieges völlig zerstört und ist heute nicht mehr vorhanden.

Baugeschichte im Mittelalter

Eine erste Besiedlung des Gebietes östlich der mittelalterlichen Bürgerstadt um den Dom erfolgte im 11. Jahrhundert durch Kaufleute. Sie errichteten ihre Häuser entlang der bereits von den Römern angelegten Via Claudia, die als Hauptstraßenzug im Mittelalter weiterhin in Benutzung blieb. Die Wintergasse war ein Teilstück der antiken Italienstraße, die den Stadtraum vom Roten Tor zum ehemaligen Kreuztor durchlief. Schon aus diesem Grund ist anzunehmen, dass unser Gebäudekomplex mit seinem burgartigen, starken Längsmauern im Kern sogar dem frühen Mittelalter angehört.

Diese Mauern sind in der damals üblichen Schalenbauweise errichtet worden; d.h. in einem entsprechenden Abstand, der der Mauerstärke entspricht, wurden zwei relativ schwache Ziegelmauern aufgeführt und der dazwischenliegende Hohlraum mit Flusskies aufgeführt. Es war nämlich ein altes augsburger Bürgerrecht, kostenlos aus der Wertach Kies entnehmen zu dürfen.

Durch die Hanglage befindet sich unter dem ersten Untergeschoss des Rückgebäudes noch ein zweites, dass in seiner Länge und Breite mit dem darüberliegenden Wölbkeller identisch ist. In diesen beiden Kellern traten bei den Umbauarbeiten nachdem der alte Putz abgeschlagen war, deutliche Teile eines zugemauerten, gotischen Kreuzgewölbes zutage. Es liegt die Vermutung nahe, dass diese Gewölbeteile auf den ersten hier im Jahre 1389 urkundlich erwähnten Bau oder seinen Vorgängern zurückgehen.

Vor dem großen Brand im Jahre 1333, der etwa 200 Häuser der oberen Stadt in Asche legte, dürfte an dieser Stelle ein für das Mittelalter typisches Fachwerkhaus mit Stroh- und Schindeldach gestanden haben. Diese Häuser mit ein und selten zwei Stockwerken standen in der Regel mit der Giebelseite zur Straße, von wo auch durch das Einfahrtstor der Zugang zu der tiefen, vielfach unbelichteten Räumen erfolgte. Nach dem großen Brand ist es möglich, dass auf den kaum beschädigten Grundmauern ein Steinbau errichtet worden ist, wie es hauptsächlich in den besseren Straßenzügen vom Dom bis St. Ulrich, die durch die Katastrophe am meisten in Mitleidenschaft gezogen wurden, geschah.

Betrachtet man aber die Grundmauern unseres Gebäudes genauer, so ist es durchaus denkbar, dass das spätere Patrizierhaus A 12 (die Stadt Augsburg war in acht mit Buchstaben bezeichnete Bezirke eingeteilt. Der Buchstabe A umfasste das Gebiet östlich der Maximilianstraße) aus zwei kleinen Häusern zu einem Großen zusammengelegt wurde, dass den handeltreibenden Kaufmann mehr Wohn- und Lagerraum einbrachte. Aus dem giebelseitigem Haus entstand ein traufseitiges Haus, dessen Erd- und Obergeschoss der neuen Bauweise angepasst wurde und nun mit der Breitseite der Wintergasse folgte.


Baugeschichte Heute
In diesem architektonischem Zustand verblieb das Anwesen, nachdem es zwei Weltkriege überstanden hatte, bis in die 70er Jahre. Der bauliche Zustand der Gegend verschlechterte sich im 20. Jahrhundert durch jahrzehntelanger Verwahrlosung zunehmend. Im Januar 1973 verstarb unser AH Ludwig Rietzler, der in seinem Testament die Philisteria mercatura zum Teilerben einsetzt. Sie erwirbt damit unter Anderem Anteil an dem sehr baufällig gewordenen Patriziahaus mit ehemals prächtiger Renaissance-Fassade in der Wintergasse 7. Die Philisteria mercatura ersteht schließlich durch Kauf auch die Restanteile an diesem Haus und schafft so Voraussetzungen für das langersehnte Philisteriahaus.

1975 in der Generalversammlung der Philisteria wird der Auf- und Ausbau des Philisteriahauses beschlossen. Aus den Reihen der Mitglieder gehen über DM 130.000 an Aufbauspenden ein. Darüber hinaus wird der Bau durch Zuschüsse der Stadt Augsburg, der Alt-Augsburg-Gesellschaft und des Landesamtes für Denkmalpflege gefördert. Der finanzielle Gesamtaufwand beträgt ohne die Eigenleistungen 1,7 Mio. DM.

Bereits am 25. September wird das Haus nach weitgehender, abgeschlossener Restaurierung inoffiziell durch die Aktivitas in Betrieb genommen. Das Philisteriahaus birgt im Keller zwei große Räume für Veranstaltungen und einen kleinen Raum für gesellige Zusammenkünfte, das künftige „Altherrenstüble“. Es umfasst darüber hinaus neun Wohnungen und zwei Ladengeschäfte.


Am 1. März 1978 findet die Mitgliederversammlung erstmals im Philisteriahaus statt. Am 16. September wird es als neues Schmuckstück Alt-Augsburgs unter Beteiligung zahlreicher Freunde und Vertreter des öffentlichen Lebens offiziell seiner Bestimmung übergeben.

1979 erfährt das Philisteriahaus im Inneren Verbesserungen und Verschönerungen: im großen Veranstaltungsraum wird eine schalldämmende Holzdecke im historischem Stil eingezogen, seine Möblierung wird vervollständigt und das Altherrenstüble erhält sein endgültiges, gemütliches Gesicht.

1985 wird der untere Gewölbekeller der zweite große Veranstaltungsraum im Philisteriahaus, endgültig ausgestattet. In diesem Raum haben besonders die jungen Bundesbrüder und alle interessierten Schüler der oberen Klassen unserer Schule, die immer willkommen sind, eine gemütliche Heimstadt gefunden, in der gespielt, musiziert oder auch nur geplaudert wird.

Raimund Hilbich al. Graeculus (1981)